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Jagderlebnis: Die gestohlene Trophäe

Die gestohlene Trophäe

von Julia K. aus Haste

Zusammen mit meinem Jagdgefährten mache ich mich auf dem Weg ins Revier. Es ist Anfang Mai. Neben uns auf der Landstraße befinden sich zu beiden Seiten ungemähte Wiesen. Von Weitem können wir ein Stück Rehwild äsen sehen. Mit bloßem Auge können wir nicht erkennen, ob Bock oder Ricke. Nachdem wir das Auto geparkt haben, pirschen wir entlang eines Feldweges auf einen Hochsitz zu, an dem wir an diesem Abend ansitzen wollen. Der Hochsitz wird von unten durch eine Luke begangen. Als wir diese öffnen, jagt uns eine aufgebrachte Bachstelze einen gehörigen Schrecken ein. Wir entdecken in der rechten unteren Ecke im Innern des Hochsitzes ihr Nest mit fünf hellbräunlich gesprenkelten Eiern. Wir entscheiden uns für einen anderen Sitz, um das Brutgeschehen nicht weiter zu stören.

In 500 m Entfernung befindet sich der nächste Hochsitz. Auf dem Weg dorthin pirschen wir an einer Weißdornhecke vorbei. Durch eine Lücke kann ich das Reh, welches wir bereits aus dem Auto eräugt haben auf der Wiese äsen sehen. Durch das Fernglas können wir es als Bock ansprechen. Der Wind steht an dieser Stelle jedoch sehr schlecht und verrät dem Bock unsere Anwesenheit. Er wirft auf, windet und springt ab. Ohne Zeit zu verlieren beziehen wir den nächst‘ gelegenen Hochsitz.

Nachdem wir die Fensterluken in alle Richtungen geöffnet haben, sehe ich im Augenwinkel eine Bewegung. Da ist der Bock wieder! Diesmal springt er in großen Sätzen auf den Hochsitz zu und verhofft wenige Meter davor. Alles geht so schnell, dass ich die Waffe noch nicht schussbereit habe. So bleibt mir nichts anderes übrig als dem Bock hinterher zu schauen. Es ist ein mittelalter braver Sechser. Er scheint ein festes Ziel zu haben, vor Aufregung hebt und senkt sich sein Brustkorb. Nach wenigen Sekunden zieht er in den vor uns liegenden Erlenbestand. Mehrere Äste verdecken die freie Sicht und so kann ich nur schemenhaft eine Bewegung des Bockes wahrnehmen. An einer Stelle beginnt er dann zu fegen und zu plätzen. Dies ist weithin hörbar. Danach verliere ich ihn aus den Augen.

Ich ärgere mich innerlich, dass ich die Waffe noch nicht schussbereit hatte.  In der Hoffnung, dass er vielleicht noch einmal an der gegenüberliegenden Wiesenkante auftaucht mache ich mich fertig. Tatsächlich erscheint er genau dort. Er zieht  entlang einer Baumreihe. Die Waffe im Anschlag folge ich seinen Bewegungen und hoffe auf eine passende Lücke. Zwischen zwei Erlen verhofft er und streckt seinen Äser Richtung eines frischen Erlebtriebes. Da lasse ich fliegen.

Der Bock zeichnet, geht vorne steil hoch, tritt aus und macht noch eine zehn Meter weite Flucht. Beim Stück angekommen, bin ich überglücklich und strahle übers ganze Gesicht den Bock in Besitz nehmen zu können. Es ist der zweite Bock, den ich in meinem Jungjägerleben strecke. Nachdem ich den Bock versorgt und aufgebrochen habe, fahren wir in die Wildkammer. Dort schärfe ich das Haupt ab und legte es über Nacht in einem Wassereimer neben die Gartenlaube. Am nächsten Tag will ich dann mit dem Abkochen beginnen. Als ich früh morgens zu dem Eimer komme trifft mich beim Anblick der Schlag. Der Eimer liegt umgekippt auf dem Boden. Von dem Rehbockschädel keine Spur. Ich suche akribisch in jedem Winkel des Grundstücks, einschließlich der angrenzenden Wiese nach dem Schädel. Wir vermuten, dass sich in der Nacht eine Fuchsfähe den Schädel für ihren Nachwuchs geklaut hat.  Und so suchen wir auch die bekannten Fuchsbaue in der Umgebung ab – leider ohne Erfolg. Bei dem Gedanken an meinen zweiten Bock und das Erlebnis beschleicht mich immer noch tiefe Trauer, hätte ich diesen doch als Erinnerung so gerne an der Wand hängen gesehen.