Überraschende Damkalbrettung
Im Jahre 2021 haben wir als Teil der örtlichen Jagdgemeinschaft den Verein „Wildtierrettung und Artenschutz Mulsum und Umgebung e.V.“ gegründet.
Mittlerweile stehen uns zwei mit Wärmebildtechnik ausgestattete Drohnen zur Verfügung, um Wiesen vor deren Mahd auf effektive und effiziente Weise abzusuchen und hiermit Kitze, Junghasen und Bodenbrüter vor dem Mähtod bewahren zu können.
Zuvor haben wir die Wiesen von April bis Ende Juni zu Fuß abgesucht. Hierbei legte man jedes Mal einige Kilometer zurück und fand leider trotzdem nicht den ganzen dort abgelegten Wildtiernachwuchs. Auch das Beunruhigen der Flächen mittels Aufstellen knisternder Tüten an Pfählen oder das Durchgehen mit Hunden, um deren Witterung zu hinterlassen und die Muttertiere damit darauf aufmerksam zu machen, dass Gefahr droht und sie daraufhin ihren Nachwuchs aus den jeweiligen Flächen herausführen, war eine Maßnahme, die allerdings leider auch kein absoluter Erfolgsgarant war.
In der letzten Saison, am 13.06.2022, waren wir wieder einmal mit zahlreichen freiwilligen Helfern in den frühen Morgenstunden in der Gemarkung meines Heimatdorfes unterwegs, um die Wärmequellen abzugehen, die zuvor mit der Drohne identifiziert werden konnten und innerhalb der Auswertung durch den Piloten ein Wildtier vermuten ließen.
Meine vorherige Teampartnerin musste aufgrund der mittlerweile fortgeschrittenen Uhrzeit - es war nun ungefähr 6.30 Uhr - los. Ich suchte mir in der von uns genutzten App eines Greifswalder Unternehmens, das mit Wärmebildtechnik ausgerüstete Drohnen vertreibt und eine überaus nützliche Software für die Wildtierrettung entwickelt hat, den nächsten noch nicht kontrollierten Wärmepunkt heraus.
Schon beim Angehen konnte ich im Augenwinkel sehen, dass ein Stück Wild absprang und meinte, es könnte Damwild gewesen sein. Es verschwand im nahegelegenen Stangenholz und ich dachte mir noch nicht allzu viel dabei. Somit war die Überraschung und Freude groß als ich anstatt eines vermuteten Kitzes ein Damwildkalb im dichten Gras liegen sah:

Da ich allein war, entfernte ich mich leise ein paar Meter von dem Fundort und rief meinen Mitstreiter an. Flüsternd informierte ich ihn über den außergewöhnlichen Fund und er schickte eine der freiwilligen Helferinnen zu mir. Sie war ganz gespannt und freute sich auch sichtlich über diesen ganz besonderen - und bisher einmaligen - Wildtierfund in unserem Revier. Damit sich das frühe Aufstehen richtig gelohnt hatte und als Dank für die Unterstützung, überließ ich ihr die Bergung des Kalbes.
Wir bereiteten leise und in einiger Entfernung zum Fund zusammen die Sicherung vor:
Nachdem sie sich Handschuhe angezogen hatte, legte sie einen Wäschekorb mit vielen Aussparungen als Luftlöcher mit reichlich abgerupftem Gras aus und wir verbanden diesen mittels eines Kabelbinders an einer Seite bereits mit dem zweiten, als Deckel vorgesehenen, Korb. Ich leitete sie kurz an, wie sie das Kalb am besten hochnehmen könne und machte mich bereit, um das besondere Erlebnis nebenbei in einem kleinen Video festzuhalten, aus dem der folgende Fotoauschnitt stammt:

Das erst wenige Tage alte Kalb verhielt sich sehr ruhig und wir konnten es in dem vorübergehenden Unterschlupf absetzen und die beiden Körbe mit weiteren Kabelbindern verschließen. Darin trugen wir das Kalb daraufhin ein paar Meter in das Stangenholz hinein und konnten es dort bis zu seiner Freilassung sicher unterbringen.
Die Freude im ganzen Sucherteam, natürlich über Chatgruppe vernetzt, war riesig!
Kurz darauf konnten wir in der Nähe noch ein Entengelege sichern, was unseren Tagesbeginn als gänzlich gelungen abrundete.
Die Erfolgsbilanz unseres Vereine für das Jahr 2022 sieht für unser Revier im Landkreis Stade, im Norden Niedersachsens, folgendermaßen aus:
- 36 Kitze in Körben gesichert
- 53 Kitze aus den zu mähenden Flächen getrieben
- 1 Damkalb gesichert
- 1 Fasanengelege gesichert
- 2 Entengelege gesichert
- 1 kranken Hasen gefunden und erlöst, der zuvor wahrscheinlich durch ein Auto angefahren wurde.
Bei der Anzahl der Kitze sind aufgrund benachbarter Wiesen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemäht wurden und weil pro Wiese im Laufe der Zeit mehrere Schnitte erfolgen, sicherlich Mehrfachzählungen enthalten. Trotzdem handelt es sich natürlich jedes Mal um eine Rettung vor Verletzungen oder dem drohenden Mähtod.
Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und freuen uns nun mit der zweiten Drohne auf eine wohlmöglich noch erfolgreichere Saison 2023!
