Auge in Auge
Es war im Herbst letzten Jahres, als ich mich nach einem Regenschauer am frühen Morgen zur Jagd bereit machte. Wir hatten bereits mehrere Besuche einer Schwarzwildrotte, die leider in sehr unregelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen Wiesen umdrehte. Ich hatte ein gutes Gefühl und der Vollmond war bereits ein paar Tage her, sodass er mir morgens noch meinen Weg erhellte. Nur mit dem nötigsten Equipment und meinem 7x64 Repetierer mit Leuchtpunkt-Optik machte ich mich auf auf den Weg zur Schwarzwildpirsch.
Im Revier angekommen prüfte ich die Windrichtung und dann ging, aus dem Wald heraus, gegen den Wind, die besagte Problemstelle an. Schon auf dem Weg erkannte ich einige frische Brechstellen die mir jedes Mal leichte Adrenalinschübe verschafften und meine Sinne schärften. Mit kurzen und sehr bedachten Schritten schlich ich weiter durch den Wald. Mein elektronischer Gehörschutz verstärke mir jedes noch so kleine Geräusch, wodurch mich so manche Maus, direkt neben mir, erstarren lies.
Als die Morgendämmerung langsam einsetzte, vernahm ich plötzlich ein Knacken ca. 30 m vor mir. Ich duckte mich und verharrte regungslos. Nichts passierte. Ich wartete 5 endlos lange Minuten, versuchte meine Atmung so flach wie möglich zu halten und suchte die Dickung vor mir ab.Und da war sie! Eine noch so kleine Bewegung, die mir aber bestätigte, mich nicht getäuscht zu haben.
Nach und nach kam ein selten prächtiger 6er zum Vorschein. Ein Platzbock, der sich hier in der Dickung anscheinden sehr wohl fühlte, denn am Ansitz am Waldrand war dieser mir noch nie zuvor begegnet. Ich wägte ab, ob es wohl möglich wäre noch meine Büchse in Anschlag zu nehmen, aber da der Bock inzwischen nur noch 10 m von mir entfernt war, verwarf ich den Gedanken schnell wieder.
Fast 10 Minuten lang kauerte ich so im Unterholz und genoss diesen herrlichen Anblick. Als er nur noch wenige Meter vor mir stand, erblickte er mich, schaute mir in die Augen, schreckte unsicher ein paar Mal und suchte dann mit ein paar kurzen Sprüngen das Weite. Dass ich an diesem Morgen mit leerem Kofferraum wieder nach Hause fuhr machte mir überhaupt nichts aus, denn dieses Erlebnis werde ich wohl nie wieder vergessen.
