Von starken Böcken, schlauen Schweinen und einem Jungjäger
Am 16.05.18 war es so weit. Ich konnte bei der unteren Jagdbehörde meinen ersten Jagdschein lösen. Schon vor Bestehen der Prüfung wurde mir von meinem heutigen Beständer zugesagt, dass ich bei ihm meinen ersten Bock erlegen dürfe. Ein Knopfbock sollte es sein. Ganz klassisch, wie es die Tradition für einen Jungjäger vorsieht.
Ich schnappte mir die Büchse und zog, fest entschlossen meinen ersten Bock auf die Decke legen zu können, los und setzte mich an. Zuerst in Begleitung, die mir noch die grundlegendsten Dinge wie das richtige angehen einer Kanzel, etc. erklärte, später auch allein.
Der Rehwildbestand war nicht schlecht, sodass wir nicht lange sitzen mussten, um den ersten Bock in Anblick zu bekommen. Ein Schmalreh das nicht ganz langsam über die Wiese von rechts nach links an uns vorbei zog. Kaum war das Reh im Bestand verschwunden folgte ein junger Bock, der es wohl auf das Schmalreh abgesehen hatte.
Doch irgendwas stimmte mit dem Bockgeweih nicht. Als ich, noch ganz verwirrt, dem Bock mit dem Glas folgte flüsterte mein Begleiter „Leck mich am A*sch! Ein Pendelstangenbock!“. Aber auch dieser abnorme Bursche suchte das Weite und verschwand im Bestand.
Nach einer Weile trat das Schmalreh wieder aus, äste ganz vertraut unweit der Kanzel, tat sich nieder, äste weiter, usw. So ging das eine Zeit lang, bis es irgendwann wieder verschwunden war.
Plötzlich hörte ich es links von mir unter einer Eiche knacken. „Nanu? Das wird doch nicht etwa …“. Da stand er wieder: Der Abnorme von vorhin. Kaum hatte ich meinem Begleiter, total hektisch weil aufgeregt und jagdfiebrig, meinen Ellenbogen in die Rippen gestoßen bemerkte auch er den Bock. Er legte an, ließ die 5,6 fliegen und der Bock lag im Knall.
Ein paar Ansitze –mittlerweile müssten es an die 15 gewesen sein- später:
Nachdem es im heimischen Revier nicht so recht klappen wollte, hatte mein Kumpel Mitleid und leitete alles in die Wege, um mich hoffentlich alsbald zum Erfolg zu führen. Er hatte klar gemacht, dass wir zusammen zwei Aufforstungen bewachen sollten. Dort war in jüngster Vergangenheit ein Knopfbock gesichtet worden, den es für mich zu erlegen galt.
Auf der Leiter angekommen richtete ich mich ein und wartete. Zuerst tat sich nicht viel, doch dann kam Bewegung ins Spiel. Von links fingen die jungen Bäumchen an zu wackeln. Das wackeln zog sich immer weiter in die Mitte der Aufforstungsfläche. Mit dem Zielfernrohr meiner Sauer glaste ich den Bereich ab, in dem sich die Bäumchen bewegt hatten. Plötzlich hatte ich mitten im Absehen einen starken Sechser Bock stehen. Mit dicken Stangen und breiten Rosen. Scheibenbreit stand er da. Das 1er Absehen tänzelte hinter dem Blatt, mein Finger ruhte auf dem Abzug.
1000 Gedanken schossen mir durch den Kopf. Natürlich war ich nach vielen langen Stunden des Wartens heiß darauf, endlich mein erstes Stück Wild zu erlegen, was ich aber sicher wusste war, dass die Freigabe anders lautete. Vernünftigerweise ließ ich die Kugel im Lauf.
Als wir den Abend bei einem Bier ausklingen ließen erzählte ich meinem Kumpel von dem Bock, der geradewegs in mein Absehen rein spazierte und der eine gefühlte Ewigkeit scheibenbreit vor mir stand und in Gedanken immer wieder „na los, drück doch ab“ zu mir sagte.
Unter Gelächter durfte ich mir Kommentare wie „Na was ist denn los? Hättest doch mal schießen sollen“ anhören. Aber man nimmt es ja mit Humor.
Ansitz Nummer 20:
Mein Begleiter hat es aufgegeben, mich weiter auf zahllosen Pirschgängen und Ansitzen zu begleiten und mir gesagt, ich solle doch selbst mal los ziehen und mein Glück versuchen. Es ist Blattzeit und ich blatte so, wie ich es bei anderen gesehen habe. Erst leise und mit ein paar Pausen immer lauter werdend. Auf dem ersten Stand tut sich nichts, auf dem zweiten kommt nach den ersten leisen Pias ein geringer Bock durchs Unterholz gerollt als wär der Teufel persönlich hinter ihm her. Total perplex greife ich nach meiner Waffe. Das war es auch schon. Zu hektisch war meine Bewegung als dass er sie nicht gesehen hätte. Und weg ist er.
Zwischendurch wechseln auf dem ein oder anderen Ansitz immer wieder Sauen an, was mir aber bis dahin nicht viel nützt. Eines Tages kommt ein Anruf vom Beständer. Er braucht eine Sau für seinen Geburtstag, ist beruflich aber so eingespannt, dass er es selbst nicht schafft raus zu gehen.
Ich wittere meine Gelegenheit, denn Sauen habe ich bisher reichlich vor gehabt.
In der Zwischenzeit hatte sich mein BüMa gemeldet, der nun endlich meine Durchgehwaffe für die kommenden Drückjagden im Herbst fertig hatte. Richtig schick ist sie geworden – und teuer. Mit Hogue-Schaft, Aimpoint Visierung, gekürztem Lauf, etc.
Den schicken Schießprügel muss ich natürlich als erstes meinem Kumpel zeigen, der daraufhin meint „nimm sie doch heute mal mit auf den Ansitz“. Warum auch nicht? Sollte dein Bock oder die bestellte Sau vom Beständer kommen, kriegst du sie mit dieser Waffe auch noch tot.
Gesagt, getan.
Wie schon die Tage zuvor sitze ich an einer Wiese und warte auf Wild, dass über die Lichtung in Richtung Salzlecke wechselt. Da knackt es wieder im Bestand und eine einzelne Sau steckt ihren Wurf aus dem hohen Gras. Mein Herz pocht und ich nehme die Waffe hoch. Da steht sie scheibenbreit auf 80-90m. Doch was ist das? Gar nicht so einfach zu zielen so ganz ohne Vergrößerung mit dem blöden Aimpoint. So ein Mist! Hätte ich doch lieber die 30-06 mit Zielfernrohr dabei, die jetzt gerade zuhause im Schrank steht.
Als würde die Sau ahnen, dass ihr keine Gefahr blüht läuft sie auf und ab und „tänzelt“ in der Lücke zwischen dem hohen Gras herum und sucht den Boden ab.
An einen waidgerechten Schuss ist nicht zu denken. Zu groß scheint mir das Risiko die Sau krank zu schießen. Also bleibt mal wieder die Kugel im Lauf.
Am Abend ernte werde ich wieder aufgezogen. Naja, was solls?
Mittlerweile schreiben wir Ansitz Nr. 34:
Es ist warm draußen und ich sitze wieder an der Wiese, an dem mich besagte Sau geärgert hat. Ich glaube nicht daran, dass irgendein Stück Wild kommt, bei dem es endlich mal passt. Doch was ist das? Das Springkraut fängt an zu wackeln. Die Enttäuschung und die Lustlosigkeit weicht dem Jagdfieber. Durch das hohe Kraut blitzt etwas rotes hindurch. Ein Fuchs?
Na wenn das ein Fuchs ist, dann ist das aber ein ganz schön dickes Exemplar. Der vermeintliche Fuchs tritt auf die Freifläche und entpuppt sich als Bock – Mein Bock. Und er passt.
Doch statt in meine Richtung zu ziehen dreht er mir den Rücken zu und wechselt von mir weg. Ohne den Rücken zu zerschießen ist da nichts zu machen. In dem Moment stoße ich mit dem Lauf irgendwo an und der Bock hält inne. Er bleibt stehen und dreht.
Er wird doch wohl nicht!?
Doch! Er zieht in meine Richtung. Ich lege an und als er kurz inne hält drücke ich ab. Doch es passiert nichts. Irgendwie muss der Bock mich vernommen haben, denn er wirft auf und sieht hoch zur Kanzel. So ein Mist. Im Eifer des Gefechts habe ich nicht entsichert.
Statt schreckend abzuspringen zieht er weiter. Diesmal etwas schneller. Hat er doch etwas bemerkt?
Wie bringe ich ihn jetzt zum verhoffen?
Ich erinnere mich vage, dass mir mein Freund sagte „wenn du einen Bock zum verhoffen bringen willst, dann blöke ihn laut an“. Und das tue ich auch. BÖÖÖÖH!!
Er steht … scheibenbreit … ich lasse fliegen. Nach 15m Totflucht liegt er schlegelnd im Gras. Ich bin überglücklich und kann es gleichzeitig noch nicht richtig glauben.
Die Daten habe ich nicht mehr im Kopf, aber das Gewicht tut auch nichts zur Sache. Bei meinem 34sten Ansitz hat es endlich geklappt.
Nun gilt es der ersten Sau. Und hier geht mein Leidensweg weiter … Doch das ist eine andere Geschichte.
