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Doublettenglück
Es war ein ganz gewöhnlicher Abendansitz am Dienstag den 18. September 2018. Ich schrieb am Vormittag meinem guten Jagdfreund Jürgen ob er heute Abend Lust hat mit mir rauszugehen. Da das Revier im schönen Voralpenland liegt und sich am späten Nachmittag einige Gewitterwolken bildeten war meine Motivation kurzzeitig etwas getrübt. Mein Jagdkollege überredete mich jedoch trotzdem rauszugehen was sich im Nachhinein als wahrer Glücksgriff erwies. Somit fuhren wir gegen 17:30 Uhr zum Abendansitz ins Revier und wählten für den Ansitz zwei Kanzeln die nicht weit voneinander entfernt lagen.
Wie schon befürchtet kam der Gewitterregen bei uns vorbei und für kurze Zeit dachte man das war´s dann jetzt mit dem Ansitz. So schnell wie der Regen kam verzog er sich auch schon wieder und mit dem schwindenden Regen zeigte sich auch noch ein wunderschöner Regenbogen. Mit den letzten Regentropfen kam es dann auch schon zum ersten Anblick des Abends: Meister Reineke zog direkt an meiner Kanzel vorbei und sorgte so für eine erheiternde Ablenkung.
Nachdem sich der erste Gast von der Bühne verabschiedet hatte und ich nichts ahnend die Landschaft beäugte zeigte sich plötzlich ein Stück Schalenwild am vor mir liegenden Waldrand. Mein erster Gedanke: es muss bestimmt ein Reh sein. Ich griff nach meinem Fernglas und merkte schnell; es ist doch ein Rotwildkalb. Doch wo ist das dazugehörige Alttier fragte ich mich? Diese Frage beantwortete sich nach kurzer Zeit von selbst. Nach kurzer Zeit legte sich das Rotkalb wieder ins hohe Gras vor dem Wald ab wo es mit seiner Mutter auch schon gelegen sein muss als ich auf die Kanzel stieg. Nach längerem beobachten des Kalbes, von welchem nur das Haupt im hohen Gras leicht erkennbar war, muss ich aus Unachtsamkeit gegen die Schusslatte geraten sein. Ruuummmmppsss machte es in der geschlossenen Kanzel und siehe da, Alttier und Kalb standen am Waldrand da. Nach meiner nicht sehr sinnigen Aktion in der Kanzel dachte ich mir das war´s dann jetzt mit dem Rotwild. Das Alttier sicherte noch eine Zeit lang die Gegend ab und zog mit seinem Kalb anschließend den Waldrand entlang…natürlich wegwärts von mir. Kopfschüttelnd saß ich auf meiner Kanzel und dachte mir nur: gut gemacht!
Doch Diana war mir an diesem Abend hold. Als ich mit dem Abendansitz schon mehr oder weniger abgeschlossen hatte kam im allerletzten Büchsenlicht das Alttier inklusive Kalb auf die Wiese zum Äsen zurück. Ich konnte in diesem Moment meinen Augen fast nicht trauen. Beide Stücke standen eng aneinander keine 60 Meter von mir entfernt. Ich wartete ein paar Minuten und machte mich bereit. Das Kalb fest im Visier. Als das Kalb breit und frei stand brach der Schuss. Es lag im Knall. Erleichterung machte sich bei mir bemerkbar. Ich repetierte meine Büchse durch und war schon überglücklich über mein erstes erlegtes Rotwildkalb. Ich dachte mir das Alttier ist nach dem Schuss längst über alle Berge, auf jeden Fall nicht mehr vor mir auf der Wiese. Doch es kam anders. Nach kurzer Blindheit durch das Mündungsfeuer im letzten Büchsenlicht hörte ich etwas mahnen. Und da Stand das Alttier, keine 20 Meter weiter neben dem erlegten Kalb. Es stand breit und sicherte in meine Richtung. Ich nahm meine Büchse, ging in den Anschlag und ein zweiter Schuss brach. Das Alttier lag zum Glück ebenso im Knall. Das Jagdfieber hatte mich in diesem Moment mit voller Wucht erwischt. Im ganzen Körper zog sich ein gewisses Kribbeln durch und mir fiel ein Stein vom Herzen als ich beide Stücke vor mir in der Wiese liegen sah. Es war meiner Meinung nach ein schneller und möglichst stressfreier Tod, was mir persönlich auf der Jagd eines meiner höchsten Gebote ist.
Jeder Jäger kennt das Sprichwort: „nach dem Schuss geht die Arbeit los“. Und so war es auch. Mein Jagdfreund Jürgen kam zu mir und konnte selbst kaum glauben was er da sah. Zum Glück half er mir bei der Bergung und bei der Versorgung der beiden Stücke. Er konnte es sich auch nicht nehmen mich in diesem Moment zum Rotwild-Doublettenjäger zu schlagen :-) Nachts um 1:30 Uhr waren wir dann mit allem fertig und beide Stücke hangen im Kühlschrank. Es war ein unvergesslicher Abendansitz den ich wohl mein Jägerleben lang in Erinnerung halten werde.
In diesem Sinne,
Waidmannsheil.