ES IST DRÜCKJAGDZEIT
Es ist Drückjagdzeit.
Uwe, Revierinhaber einer Jagd in der Lüneburger Heide hat eingeladen. „Revierübergreifende Drückjagd in einem zusammenhängenden Waldgebiet“, sagte er. „Treffpunkt 7.30 Uhr bei mir auf dem Hof“.
Am frühen Morgen des Jagdtages, nach der kurzen, freundlichen Begrüßung durch Uwe wartet auf uns 14 Jäger und Hundeführer ein leckeres Frühstück. Dampfender Kaffe, auf Wunsch Tee und es gibt hauptsächlich vom Wild: Leckere Leberwurst und Mettwurst. Alles wird über den Daumen geschnitten. Der Biokäse schließt den Magen. Begleitet wird das Frühstück von der interessanten Unterhaltung. Man könnte noch länger sitzen und klönen. Ja, so kann eine Gesellschaftsjagd auch beginnen.
Obwohl die Zeit drängt, um 10.00 Uhr sollen alle Stände besetzt sein, Zeit für Informationen über Freigaben, Verhaltensregeln und Sicherheitsbestimmungen während der Jagd, muss sein. Für jeden von uns Jagdteilnehmern hat Uwe ein Auszug der Revierkarte mit den eingezeichneten Ständen, einschließlich der Stände des angrenzenden Reviers. Alle Informationen sind hier noch einmal genannt.
„Waidmannsheil!“ die Jagd kann nun beginnen. Der bereitgestellte Trecker mit Anhänger und Holzklappstühlen bringt uns ins Revier. Auf den Anhängern werden wir gut durchgeschüttelt. Unverhofft ein kräftiger Ruck, diverse Klappstühle brechen, ja einfache Strohballen wären bestimmt sicherer gewesen.
Beim ersten Halt steige ich mit 3 weiteren Waidmännern aus. Der Trecker tuckert weiter. Ein kurzes Stück zu Fuß, wir sind da. Ansteller Carsten weist mich ein. Nach dem freundlichen Waidmannsheil geht er mit Volker und Ulf die Schneise hoch zu den 2 weiteren Ansitzböcken. Die Ansitz-Böcke stehen mittig der Waldschneise mit jeweils ca. 80 Meter Abstand. Ganz oben auf dem Kamm bezieht Carsten seinen Stand. Er ist der einzige ohne Ansitzbock, er hockt auf dem mitgebrachten Jagdstuhl.
Nachdem ich die Waffe geladen und gesichert habe, erkunde ich die Umgebung. Hochwald mit niedrigem Bodenbewuchs. 80 Meter vor mir, am Ende des Hochwaldes beginnt die Dickung. Dort und dahinter findet das Treiben statt. Von dort sollte das Wild kommen. Der Baumbestand ist ziemlich dicht, so dass durch die Blickrichtung eine Wand entsteht. Nur minimale Lücken ermöglichen den gezielten Schuss .Lediglich links und rechts diagonal gesehen hat man bis zur Dickung eine einigermaßen ansprechende Schussschneise. Durch das ansteigende Gelände ist ein Kugelfang vorhanden. Ein Schuss entlang der Schneise von mir rechts, in der wir ja sitzen, ist tabu. Der Wald hinter mir fällt zwar ab, ist ansonsten ein Spiegelbild von dem vor mir liegenden Gelände. Durch die Einweisung von Werner und den Blick auf den Auszug der Revierkarte weiß ich, dass in ca. 150 Meter Entfernung die Landstraße entlang führt. Erst hinter der Straße steigt das Gelände wieder an. Ein Schuss in diese Richtung ist also riskant und somit ausgeschlossen. Wild aus dieser Richtung, unwahrscheinlich.
Ja, diese Gedanken gehen einem in Windeseile durch den Kopf. Und dann warten…, lauschen …, warten…, lauschen…, warten. Ein 1. Schuss ist zu hören. Weit entfernt. Ich sitze ca. 1/2 Stunde, plötzlich Bewegung links hinter mir. Ein Hirschkalb, flüchtig, 25 Meter von mir entfernt, geht Richtung Dickung. Dort ist das Treiben. Aber kurz vor der Dickung wendet es und flüchtet zurück in Richtung Straße von wo es gekommen ist, rechts an mir vorbei. Die schnelle Flucht tröstet mich über die verpasste Gelegenheit hinweg. Plötzlich zerreißt ein Knall die Stille. Carsten, oben auf der Höhe, hat geschossen. Auf was kann ich nicht sehen, es muss hinter dem Kamm liegen. „Waidmannsheil Carsten!“.
Eine weitere ½ Stunde ist verstrichen. Hundegebell und wenn man genau hinhört ein leises „Hopp- Hopp- Hopp“ ist zu hören. Das Drücken kommt näher. In der Ferne immer wieder Schüsse, sowohl von rechts, von links und von vorne. Sofort sind alle Sinne wieder vollständig angespannt. Das „Hopp -Hopp-Hopp“ wird lauter und weitere Treiberrufe sind zu hören. Ein Jagdterrier -müsste der von Axel sein- kommt aus der Dickung, läuft an dieser entlang und ist nach wenigen Augenblicken wieder im Grün verschwunden. Die Treiberrufe werden nach und nach leiser, bis man sie kaum noch hören kann. Dann Stille, nur noch die Geräusche des Waldes, in der Ferne ein Schuss.
War‘s das?
Nein, rechts hinter mir eine Bewegung. Ein kräftiger Keiler ? Nein, kein Keiler – eine Bache, gefolgt von 1-3-5 Frischlingen – ein 6ter kommt – ihre Streifen haben Sie bereits verloren.
Entsichern und anbacken ist eins. Der rote Punkt erfasst blitzschnell das Ziel, den ersten Frischling. Beide Augen sind geöffnet. Aber der Finger bleibt gerade -…. die Landstraße.
Die Bache hat zwischenzeitlich die Schneise erreicht und wechselt, gefolgt vom ersten Frischling… Aber der Finger muss gerade bleiben - meine Standnachbarn . Soeben hat der letzte Frischling die Schneise erreicht und überquert, da folgt Schuss auf Schuss, 1-2-3. Mein Gegenüber Volker entleert sein Magazin. „Von zwei Seiten müssen wir ja nicht auf einen Frischling schießen“, brummele ich für mich noch. Da verschwinden die Schwarzkittel, ohne für mich sichtbar quittiert zu haben, hinter den dichtstehenden Bäumen. Den letzten Frischling nehme ich ins Visier und schwenke mit . Die Bache erreicht die Dickung, gefolgt von 1,2,3,…4,…5 Frischlingen.
Da löse ich den Schuss. Höchste Zeit, denn auch der 6. ist nun im Grün verschwunden. Bin mir aber sicher, dass ich trotz der Entfernung getroffen habe....
Die nächsten 2 Stunden genieße ich nur noch die „Frische Luft“ und den herrlich, sonnigen Novembertag. Immer wieder fallen Schüsse, mal in der Nähe, meist entfernte Schüsse.
Hahn in Ruh‘ – Volker eilt mit großen Schritten Richtung Dickung, ist kurz verschwunden und kommt dann den Frischling hinter sich herziehend aus dem dichten Grün. Ulli zwischenzeitlich auch eingetroffen wünscht „Waidmannsheil“ . Ein guter Treffer. Die Schusszeichen, Einschuss auf dem linken Blatt und der Austritt auf der rechten Seite zeigen, wer der erfolgreiche Schütze war. „Waidmannheil!“ „Waidmannsheil!“ - „Waidmannsdank!“ erwidere ich glücklich.
