Der "Doppelbock"
Es war Mitte Oktober meines ersten Jagdjahres, als mein Jagdherr mich bat, etwas intensiver anzusitzen, da er dringend bis Ende Oktober 2 Bockkitze brauchte, die er wohl einem der Bauern für diverse Gegenleistungen versprochen hat.
Er selbst war zu der Zeit beruflich sehr eingebunden und kam immer weit nach letzen Büchsenlicht von der Arbeit.
Ich saß fast an jedem Tag nach dem Büro an - bekam aber kein Bockkitz zu sehen.
Am 29.Oktober spürte ich dann einen gewissen Leidensdruck, da ich das in mich gesetzte Vertrauen meines Jagdherren nicht enttäuschen wollte, und saß auch an diesem Tag ab 15:30 Uhr an.
Ich glaste die vor mir liegenden Äcker sorgfältig ab und stellte verzweifelt fest, dass das Tageslicht allmählich schwand, ohne dass ich ein Bockkitz entdecken konnte.
Als kurz vor Einbruch der Dunkelheit auch noch Regen einsetzte, packte ich mein Fernlas in den Rucksack und blickte zur Kontrolle, ob ich den Leuchtpunkt ausgeschaltet habe, noch einmal durch mein Zielfernrohr.
Beim Schwenk über den Acker entdeckte ich in der Dämmerung ein Stück Rehwild.
Ich konnte es fast nicht glauben, drehte die Vergrößerung meines Zielfernrohrs hoch und stellte beim Blick vor die Lauscher fest, dass es es sich tatsächlich um das ersehnte Bockkitz handelt.
Mein Atem wurde schneller und mein Puls pochte mir bis zum Hals.
Ich bemühte mich, ruhig zu atmen und visierte das Böckchen an. Als es auf etwa 80 Meter breit vor mir stand, ließ ich den Schuß brechen und war mir sicher, gut abgekommen zu sein.
Das Mündungsfeuer blendete mich, so dass ich eine Weile brauchte, meine Augen wieder an die Dämmerung zu gewöhnen.
Ich blickte erneut durch mein Zielfernrohr und war entsetzt, denn das Bockkitz stand wie versteinert auf dem Acker und blickte in meine Richtung.
Sollte ich mich tatsächlich so sehr getäuscht und den Schuß verrissen haben?
Ich repetierte meine Helix, visierte das Bockkitz erneut an und ein weiterer Schuß durchbrach die Abendstille.
Wieder blendete mich das Mündungsfeuer und ich konnte nicht erkennen, ob ich nun erfolgreicher war.
Nach schier endlos verrinnenden Sekunden konnte ich wieder einigermaßen sehen und glaste den Acker ab. Mittlerweile war die Dunkelheit aber so weit vorangeschritten, dass ich das erlegte Stück auf dem dunklen Acker nicht erkennen konnte.
Wie in der Jagdschule gelernt, wartete ich noch ein paar Minuten ab, bevor ich abbaumte und mich zu der Stelle begab, an der ich den Anschuß vermutete.
Im Kegel meiner Taschenlampe konnte ich das Bockkitz erkennen, es lag genau im Feuer.
Meine Freude blendete den Ärger über den zuerst abgegebenen Fehlschuß aus und ich bückte mich, um das Kitz an den Vorderläufen hochzunehmen.
Als ich mich mit meiner Beute umdrehte und im Lichtkegel meiner Taschenlampe etwa 10 Schritte entfernt ein weiteres Bockkitz lag, war ich fassungslos.
Offensichtlich war ich so sehr auf das erste Bockkitz fixiert, dass ich das einige Meter daneben stehende "Brüderchen" gar nicht bemerkte und so stellte sich der vermeintliche erste Fehlschuß als perfekter Kammerschuss heraus.
Als die ich meinem Jagdherren in der Wildkammer davon berichtete, lachte er und meinte "ich weiß deine Ehrlichkeit zu schätzen". Jeder Andere hätte mir das doppelte Jagdglück als hohes waidmännisches Können dargestellt.

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