Morgenansitz im Juni
Es ist noch Dunkel, draußen um 3 Uhr morgens als der Wecker läutet. Die Nacht war kurz, aber an Müdigkeit wurde kein Gedanke verschwendet. Immerhin konnte nach einer viel zu langen Ruhezeit erstmals wieder eine Rotte Schwarzwild im Revier bestätigt werden. Um halb 4 war das Revier erreich und ich baumte auf eine Kanzel nahe einer Kirrung auf, an der das Schwarzwild vor seiner langen Abwesenheit oft dinierte. Nicht lange nachdem ich die Kanzel bezogen hatte, schärften sich meine Sinne auf den noch nächtlichen Wald und der Wind ließ leise und gemächlich das Laub rascheln. Einige Zeit verging bevor das Rauschen der Blätter umschlug und nicht mehr vom Wind stammen konnte. Das Licht war schon etwas dämmrig und so konnte ich gut einen schwarzen Schatten vor mir, an der Kirrung hin und her huschend erkennen. Doch es war nur ein Eichhörnchen, dass sich anscheinend an einem der Bäume neben der Kanzeln häuschlich niedergelassen hatte. Kurz vor Sonnenaufgang verschwand es wurde wieder still. Die Gedanken kreisten um die Schwarzkittel. Wo könnte die Rotte wohl stecken? Haben sie vielleicht eine andere Kirrung für diese Nacht ausgewählt, oder waren sie gar schon weiter gezogen. Ein weiteres Rascheln riss mich aus meinen Gedanken. Was war diesmal der Urspurng? Der Lautstärke nach definitiv kein Eichhörnchen mehr. Es waren aber auch keine Sauen, sondern Rehwild. Ein alter Bock hatte sich mitten auf die Kirrung gestellt und scharrte im umliegenden Laub aus den Vorjahren. Nach genauerer Beobachtung konnte ich ihn nicht als einen im Revier bekannten Bock einordnen. Vielleicht wurde ihm sein Revier streitig gemacht, oder er konnte sich sehr, sehr lange im großteils aus Wald bestehenden Revier unsichtbar machen. Nun kam das Hin und Her, sollte ich den Bock erlegen? Der Abschussplan war noch ziemlich unerfüllt und der Bock hatte bestimmt schon einige gute Jahre hinter sich, die Trophäe war schon stark zurückgebildet. Da mein Ansitz den Sauen galt entschloss ich mich den Bock ziehen zu lassen. Nach 30 Minuten gemächlichem äßen um die Kirrung zog er auch davon. Auch ich machte mich danach auf den Heimweg, in Gedanken beim Bock, den ich vielleicht doch hätte erlegen sollen, wer weiß wann man ihn wieder sehe. Ich sagte mir, dass ich bei meiner nächsten Begenung nicht mehr auf die Sauen warten würde, nichtsahnend dass diese schon nach dem nächsten Schritt Richtung Auto sein würde. Denn der Bock trat nicht mal 100m vor mir genau auf den Forstweg, der von der Kanzel zu meinen Auto führt und blieb stehen. Nach der ersten Verblüffung fasste ich den Entschluss den alten Herrn zu erlegen und konnte vom Pirschstock aus einen Blattschuss anlegen. Der Bock lag im Knall und durch die fast schon nach Vorsehung wirkenden Begegnung auf dem Heimweg war er auch schnell aufgebrochen und in der Kühlkammer. So wurde unverhofft aus Bock auf Sauen doch ein ansehnlicher (nach Bewertung 8 Jähriger) Bock.
Waidmannsheil!
