Erste Pirsch im Mai
Am 19.05.2019 nahm mich einer meiner erfahrenen Jagdherren mit auf die Pirsch. Wenngleich ich als Jungjäger bereits Waidmannsheil bei der Ansitz- und Gesellschaftsjagd erfahren durfte, war ich voller Spannung und Vorfreude auf meine erste Pirsch. Gepirscht wurde auf den Rehbock in einem vornehmlich mit Hochwald bewaldeten Teil des Reviers, der durch unzählige Erhebungen und kleineren Schluchten geprägt sowie von mehreren Bächen durchzogen ist und an saftig grüne Wiesenflächen angrenzt.
Mit dem ersten Büchsenlicht trafen wir im Revier ein. Wir machten uns zunächst auf, die am Waldrand gelegenen Wiesen leisen und bedachten Schrittes abzugehen. Obschon sich dort kein Rehbock zeigte, präsentierte sich die Natur eindrucksvoll in anderer Weise. So konnte am Waldesrand insbesondere ein Marder dabei beobachtet werden, wie er unter dem lauten Geschrei eines in einem Baum sitzenden Vogels eben diesen Baum erklomm.
Da sich auf der Bühne der ersehnte Rehbock nicht zeigte, beschlossen wir im Wald unser Waidmannsheil zu suchen. Mein Jagdherr schritt leisen Schrittes voran und ich versuchte es ihm gleich zu tun. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit bedacht, vorsichtig und vor allem mit verhaltenem Tempo durch den Wald geschritten waren, raschelte es plötzlich in einer nahe gelegenen Dickung und zu meiner Überraschung flog eine Geiß an uns in hohem Tempo vorbei.
Wir setzten unsere Pirsch fort. Als wir an einer Kreuzung von zwei Waldwegen angelangt waren, erblickten wir in einer Entfernung von ca. 20 Metern einen Spießerbock, der am Wegesrand äste. Dieser hatte uns wohl wegen dem in der Nähe plätschernden Bach noch nicht vernommen. Wir verständigten uns so gut es ging flüsternd und durch Handzeichen, doch uns war beiden sofort klar, dass ein Schuss wegen des -von unserer aktuellen Position aus gesehen- in Schussrichtung abfallenden Geländes nicht zu verantworten war. Mein Jagdherr wies mich an, zu versuchen den Bock in einem Bogen zu umgehen, sodass mir das Gelände einen ausreichenden Kugelfang bieten kann. Ich trat weisungsgemäß aus der von uns bis dahin gehaltenen Gänsemarsch-Formation heraus und versuchte den Bock zu umgehen. Die ersten Meter schien dies auch von Erfolg gekrönt zu sein, was ich nach wie vor der Geräuschkulisse des plätschernden Bachs zuschreibe, doch plötzlich hob der Bock sein Haupt und äugte mich kurze Zeit an. Wie angewurzelt blieb ich stehen und versuchte mich nicht zu bewegen. Dies wiederum schien mir nicht in ausreichendem Maße gelungen zu sein, da der Bock hierauf absprang. Wenngleich es nicht zum ersehnten Waidmannsheil gereicht hatte, war dies ein intensives, von Spannung geprägtes Erlebnis, das ich nicht missen möchte.
Trotz oder gerade wegen des zuvor Erlebten setzten wir unsere Pirsch fort. Die bisher gehaltene Gänsemarsch-Formation lösten wir auf und pirschten nun nebeneinander. Nachdem wir wieder auf einen Waldweg gestoßen und diesem gefolgt waren, stieß mich mein Jagdherr mit dem Ellenbogen an und wies mich darauf hin, dass ein Bock in der nahen, von uns aus links gelegenen Eichenkultur steht. Er ermahnte mich weiter zu gehen und nicht direkt nach dem Bock zu sehen. Dem folgte ich. Nachdem wir uns ca. 50 Meter augenscheinlich in gefasster und besonnener Art und Weise von dem Bock entfernt hatten, wies mich mein Jagdherr an, an einer gerade gewachsenen, stämmigen Buche anzustreichen und dem Bock, sofern möglich, die Kugel anzutragen. Ich tat wie mir geheißen wurde und strich an besagter Buche an. Durch das Zielfernrohr konnte ich den Bock als ein- bis zweijährigen Sechserbock ansprechen; auch war durch die sich hinter der Eichenkultur befindliche leicht bewaldete Erhebung ein natürlicher Kugelfang gegeben. Allerdings stand der Bock spitz, sodass sich ein Schuss verbot. Eine gefühlte Ewigkeit harrte ich an der besagten Buche angestrichen aus, doch der Bock veränderte seine Position nicht und stand weiter spitz zu meiner Position. Zunehmend merkte ich wie mein beleuchtetes Absehen unruhiger wurde. Ich beschloss daher meine aktuelle Position an der Buche aufzugeben und den Kontakt zu meinem Jagdherrn, welcher sich in ausreichender Entfernung zu dem Bock positioniert hatte, herzustellen. Auch dieser Bock muss mich hierbei wohl bemerkt haben da er hierauf ruhigen Schrittes auf die hinter ihm liegende, leicht bewaldete Erhebung wechselte. Mein Jagdherr, der mit dem dortigen Gelände und den Gegebenheiten bestens vertraut war, gab mir auf, erneut zu versuchen den Bock zu umgehen und von dem über der Erhebung gelegenen Waldweg dem Bock die Kugel anzutragen. Dem folgte ich, von rasantem Herzschlag begleitet, abermals. Auf dem oberen Weg angekommen, konnte ich den Bock auf einem leicht bewaldeten und auch sonst wenig bewachsenen Plateau in der Erhebung ausmachen. Zu meiner Freude, stand der Bock breit auf dem Plateau. Ich evaluierte das Gelände und prüfte ob eben dieses vor und hinter dem Bock frei ist und ein ausreichender Kugelfang gegeben ist. Dem war so. Ich ging in Ermangelung einer Auflage oder einer geeigneten Möglichkeit zum Anstreichen stehend freihändig in den Anschlag und trug den Bock die Kugel an. Der Bock zeichnete kurz und brach durch die leichte Bewaldung nach unten auf die Eichenkultur. Noch voller Adrenalin ging ich zum Anschuss, konnte zunächst aber keine Pirschzeichen ausmachen. Ich rief nach meinem Jagdherren - da ich sicher war im Leben des Bockes abgekommen zu sein- der von seiner gesicherten Position aus einen Blick auf das Geschehen hatte und mir hierauf sogleich zu rief, dass der Bock nur noch wenige Meter in die Eichenkultur gemacht hatte und dort verendet war.
Dem Bock wurde die letzte Äsung dargeboten. Nachdem der Bock in Besitz genommen wurde gratulierte mir mein Jagdherr unter Übergabe des Erlegerbruchs mit einem herzlichen Waidmannsheil.
Für dieses eindrucksvolle und unvergessliche Erlebnis sowie den damit verbundenen Erfahrungen die ich machen durfte, werde ich meinem Jagdherrn ewig dankbar sein
Beste Grüße und ein herzliches Waidmannsheil
