Der Pferde-Bock
Samstagmorgen. Zu viert verbringen wir das Wochenende auf der Jagdhütte des Vaters eines Freundes. Ewig haben wir uns nicht gesehen und entsprechend lange wurde der gestrige Abend. Dem gemeinsamen Ansitz auf Sau und Bock folgte ein gemütliches Beisammensein mit Grillen und intensiven Gesprächen. Schließlich mussten wir uns austauschen um wieder auf den aktuellen Stand zu kommen. Bei solch einem Abend mit dem vielen Erzählen müssen natürlich auch die Zungen entsprechend befeuchtet werden... Nun, am nächsten Morgen, ärgere ich mich über mich selbst. Klar, dass wir zum Frühansitz nicht aus den Federn gekommen sind! Aber es war ein schöner Abend und das ist ja auch ein Hauptgrund für solch ein gemeinsames Wochenende. Noch leicht dämmrig zwischen den Ohren machen wir uns auf zur Morgenpirsch. Vielleicht lässt sich ja doch noch ein bummelndes Stück auf einer der Wiesen überraschen. Das Wetter ist traumhaft: Der leichte Nebel steigt in der langsam durchbrechenden Sonne und die nun bunt blühenden Wiesen sind in immer wieder spannendes und wechselhaftes Licht getaucht. Rehe sehen wir, allerdings nur Geißen mit ihren Kitzen. Seelenruhig äsen sie und genießen offensichtlich das Bad in der Sonne. Als ob sie genau wüssten, dass sie von uns zu dieser Jahreszeit nichts zu befürchten haben. Doch was ist das? Beim Abglasen des Hanges vor uns taucht aus dem hohen Gras auf einmal das Haupt eines Rehs auf. Ist es wieder eine Geiß? Aber da, zwischen den Lauschern, zeigt sich etwas. Nur ein Grashalm mit Blütenstand, der uns einen Streich spielt? Nein! Es ist tatsächlich ein Bock mit nur einer Stange! Jetzt schnell fertig machen und… Aber so plötzlich er erschienen ist, so plötzlich nimmt der Bock Reißaus. Ob er uns mitbekommen hat, oder ob ihm im hohen Gras ein Konkurrent zu nahe kam, ist für uns nicht ersichtlich. Weiter geht die Pirsch. Wir bewegen uns einen betonierten Weg entlang. Links, jenseits von Wiese und Bach ein Weizenfeld, rechts eine Pferdekoppel. Die Pferde kommen zum Zaun, erwarten wohl sehnlichst ihre Morgenfütterung. Auf der anderen Seite, mitten im Weizen, am anderen Ufer des Baches, bemerken wir einen Bock. Ein Jährling, die Stangen etwa lauscherhoch. Er bemerkt auch uns und zieht in den Sichtschutz von ein paar einzelnen Büschen am Ufer des Baches. Die schnelle und weite Flucht hat er aber nicht ergriffen! Vielleicht… Die Freunde bleiben zurück und ich pirsche ganz langsam und vorsichtig weiter den Weg entlang, bis sich eine Lücke in den Büschen auf der anderen Bachseite auftut. Unerwartete Schützenhilfe erhalte ich von der Pferden. In der Hoffnung, doch noch etwas Futter von mir zu bekommen, begleiten sie mich, bleiben immer auf meiner Höhe an der Koppelzäunung. Ich bewege mich auf diese Weise in ihrem Sichtschutz immer weiter den Weg entlang. Durch eine Lücke in den Hecken kann ich auf der anderen Bachseite jetzt den Bock entdecken. Er sichert in meine Richtung, kann mich vor den Pferden hinter mir aber anscheinend nicht ausmachen. Jetzt vorsichtig und ganz langsam an einem Zaunpfosten anstreichen, warten bis er breit steht und sich vom eigenen Knall überraschen lassen. Der Bock geht auf der Stelle nieder und der Terrier von Jagdfreund Johannes bekommt zu seinem Bedauern nichts zu tun. Allerdings ist das Bergen des Bockes inklusive der „Gewässerüberquerung“ ein durchaus anstrengender Frühsport. Dafür gibt es als Belohnung frische Rehleber zum Frühstück, vor allem weil Johannes auch noch einen Bock zur Morgenstrecke beisteuert. An unserem gemeinsamen Wochenende fallen noch weitere zwei Böcke und auch die gemeinsamen Gespräche werden noch vertieft. Eine wunderschöne Zeit! Ein solches Jagdwochenende zeigt einem auf das eindrücklichste, warum wir auf Jagd gehen! Waidmanndheil
